Geradezu inflationär wird in der Versicherungs- und Finanzbranche mit unabhängiger Beratung geworben. Doch an der gefühlten Mehrheit aller dieser Behauptungen bestehen gewichtige, berechtigte Zweifel…
Am einfachsten lässt sich das Thema anhand Ihrer Gesundheit durchleuchten. Nehmen wir an, Ihnen wurde heute morgen übel…
Sie wissen, dass es wenig Sinn ergibt, in den Drogeriemarkt um die Ecke zu gehen, bei welchem es zwar auch Mittelchen gegen Übelkeit gibt. Aber Sie sehen den Vertreter von StrazioPharm dort fast wöchentlich das Regal auffüllen und ahnen, dass Ihnen dort ja nur Produkte eines einzigen Anbieters zur Verfügung stehen. Deswegen entscheiden Sie sich von vornherein für die unabhängige Variante:
Auf zur Apotheke…
Diese gilt ja gemeinhin als unabhängig, da sie eben unzählige Medikamente von einer Vielzahl von Herstellern anbietet. Sie beklagen Ihr Leid, man hört Ihnen zu, stellt die eine oder andere Rückfrage und empfiehlt Ihnen dann das eine oder andere Medikament. Je nachdem, was Ihr Geldbeutel hergibt, kaufen Sie eben das eine oder das andere. Sie gehen nach Hause, nehmen die Arznei ein und am nächsten Tag ist alles wieder gut. Sie freuen sich – einerseits darüber, dass es Ihnen wieder gut geht, andererseits aber auch, weil Sie nicht zum Arzt mussten und deswegen Gebühren (*) gespart haben.
(*) Natürlich bekommen Sie in der Regel die Arztkosten erstattet bzw. werden diese übernommen. In dieser beispielhaften, perfekten Welt aber sollen Sie Ihren Arzt selbst bezahlen müssen 😉
Zwei Tage später kommt plötzlich dieselbe Übelkeit wieder. Sie gehen erneut in die Apotheke, verlangen dasselbe Medikament und am nächsten Tag ist alles wieder gut.
Doch am Abend kommt die Übelkeit wieder zurück. Sie haben Zweifel daran, dass Ihnen das richtige Medikament empfohlen wurde.
Auf zur nächsten Apotheke…
Dort beklagen Sie Ihr Leid erneut und heben vor allem auch die Unfähigkeit der vorherigen Apotheke hervor, welche Ihnen nicht das richtige Medikament empfohlen hat. Selbstverständlich hat diese Apotheke da eine viel bessere Lösung. Sie folgen dieser Empfehlung, gehen nach Hause und am nächsten Morgen geht es Ihnen wieder gut. Und auch am darauffolgenden und in den kommenden Tagen ist alles wieder gut. Erneut sind Sie stolz auf sich, denn Sie haben sich die Arztkosten gespart und dafür nur das Medikament bezahlt.
Doch eine Woche später geht das Spiel von vorne los und Sie begreifen so langsam, dass Ihnen auch die zweite Apotheke hier nicht helfen konnte. Sie erwägen den Gang zur dritten Apotheke, kommen aber dann doch von selbst darauf, dass Sie dann drei Medikamente bezahlt hätten und Ihnen dann womöglich trotzdem wieder übel wird. Und so unternehmen Sie den einzig richtigen Schritt.
Auf zum Arzt (**) …
Dieser untersucht sie gründlich, wahrlich von Kopf bis Fuss. Er stellt viele Fragen, erhebt Ihre Vital- und Blutwerte, durchleuchtet Ihre Vergangenheit, sogar Ihre Ess- und Schlafgewohnheiten und selbst den Umgang mit Ihren Haustieren nimmt er unter die Lupe. Dass dies alles mit Ihrer Übelkeit in Verbindung stehen können soll, kommt Ihnen zwar schon etwas spanisch vor. Aber vor Ihnen sitzt ein berufserfahrener und angesehener Arzt und Sie vertrauen darauf, dass er schon alles richtig macht.
(**) Liebe Ärztinnen – gönnen Sie den Berufskollegen (m) hier bitte den Triumph, genannt zu werden. In einer Welt, in der zur Chancengleichheit von der EU fast schon eine Verordnung zur verpflichtenden Benutzung des Wortes Salzstreuerin befürchtet werden muss, braucht die verweichlichte Mimimi-Männerschaft auch mal eine kleine Bauchmiezelung 😉
Am Ende des Untersuchungsmarathons kommt er zu Ihnen und… (***)
(***) mir ist klar, dass die meisten von Ihnen nun erwarten, dass hier eine Schwangerschaft diagnostiziert wird, welche die Übelkeit erklärt; aber nein, das wäre wirklich zu einfach 😉
…er teilt Ihnen mit, dass Sie unter Laktoseintoleranz leiden. Sie brauchen kein Medikament – es genügt, wenn Sie einfach künftig den Milchzucker aus Ihrer Ernährung streichen. Dann wird Sie die Übelkeit nicht mehr ereilen.
In der Freude, dass Sie nun erleuchtet sind, zahlen Sie unverzüglich seine schon nicht ganz unerheblich hohe Rechnung, sind aber auch erleichtert, dass Sie nun keine weiteren Medikamente ausprobieren müssen.
Die Erkenntnis…
Auf dem Weg nach Hause wird Ihnen dann so einiges klar:
Egal, welche Apotheke Sie besucht hätten – keine könnte davon leben, Ihnen zu sagen, dass Sie gar keine Medikamente brauchen. Denn die Apotheke nimmt keine Gebühren für Beratungen und Untersuchungen, sondern sie verkauft Medikamente und lebt von den Verkaufsmargen.
Beim Arzt hingegen ist das anders. Dieser lebt von Ihren Gebühren und wird dafür vergütet, dass er Sie untersucht, berät und behandelt. Natürlich – soweit ein Medikament aus der Apotheke erforderlich wird, erhalten Sie ein konkretes Rezept und lösen dieses auch ein. Schließlich sind die Apotheken genauso wichtig wie die Ärzteschaft und beide müssen von Ihnen bezahlt werden, damit sie überleben. Aber keiner von beiden kann den jeweils anderen ersetzen, wenn es um etwas Ernsthaftes, wie Ihre Gesundheit geht.
Der Zirkelschluss:
So ähnlich ist es auch in der Versicherungsbranche. Es gibt Vertreter und (fast) jeder weiß, dass diese ihrem Brötchengeber dienen.
Es gibt die Versicherungsmakler, welche sich einer breiten Produktpalette bedienen und unabhängig von Anbietern auswählen. Aber sie leben (in aller Regel) von den Margen (Provisionen) der Produkte, also vom Verkauf. Selbst der redlichste Makler, der Ihnen ein abschlusskostenfreies Produkt (sog. Nettopolicen / Honorartarife) anbietet und dann Ihnen seine Vergütung in Rechnung stellt, darf grundsätzlich nur im Zusammenhang mit dem Abschluss, also der Vermittlung (und der Betreuung) von Versicherungspolicen tätig werden. Die reine (vom Verkauf unabhängige) Beratung gegen eine Gebühr ist ihm (bis auf wenige Ausnahmen) nicht gestattet.
Hierfür gibt es die Versicherungsberater. Diese dürfen keine Versicherungen vermitteln und dafür von den Produktanbietern mit Provisionen vergütet werden. Versicherungsberater analysieren Sie und Ihre Risikosphäre und geben dann entsprechende Empfehlungen ab. Hierfür werden Sie von Ihnen persönlich vergütet. Natürlich kann dies auch die Empfehlung zum Abschluss von passenden Versicherungsverträgen betreffen. Doch (vermutlich) nur der Versicherungsberater kann eben davon leben, Ihnen konkret zu sagen, was Sie alles NICHT brauchen und wovon Sie besser die Finger lassen sollten…
Der Rat:
Wenn auch Sie gern einmal wissen wollen, was Sie eigentlich alles gar nicht brauchen, dann sollten sich am Besten von jemandem beraten lassen, der neutral und unabhängig ist und nicht von der Versicherungswirtschaft für den Abschluss oder die Betreuung eines Versicherungsvertrages bezahlt wird – nämlich von den örtlichen Verbraucherzentralen, spezialisierten Rechtsanwälten oder einem der gerade einmal 337 in Deutschland zugelassenen Versicherungsberaterinnen und Versicherungsberater (Stand 01.07.2019, DIHK). Diese finden Sie – auch in Ihrer Nähe – unter:
BVVB-Beratersuche: BVVB-Beratersuche
Wichtiger Nachtrag:
Natürlich hinkt das Beispiel ein wenig, denn wir wissen schließlich alle, dass Apotheken regelmäßig empfehlen, zuerst einen Arzt aufzusuchen, um abklären zu lassen, was die konkreten Ursachen der Beschwerden sind. Ebenso steht in der Verpackungsbeilagen der Medikamente ein solcher Hinweis. Von daher – liebe Apotheken – fühlen Sie sich bitte nicht angegriffen!